Die Ursachenanalyse – erläutert anhand von Beispielen und Methoden

Als Ausgangspunkt, um zu verstehen, was eine Ursachenanalyse ist und wie sie funktioniert, können Sie sich einige häufig auftretende Probleme vorstellen. Wenn ich krank bin und mir am Arbeitsplatz übel wird, gehe ich zum Arzt und frage ihn um Rat, woher die Erkrankung rühren könnte. Wenn mein Auto nicht mehr anspringt, beauftrage ich einen Mechaniker damit, das Problem zu ermitteln. Wenn mein Unternehmen in einem bestimmten Bereich schlechter (oder besser) abschneidet als erwartet, versuche ich herauszufinden, woran dies liegt.

In jedem dieser Beispiele ließe sich leicht Abhilfe schaffen. Bei Übelkeit bleibe ich eben zu Hause und stelle mir einen Eimer ans Bett. Das kaputte Auto kann ich vor der Haustür stehen lassen und stattdessen den Bus nehmen. Doch diese Lösungen setzen lediglich an den Symptomen an, nicht an der Ursache – der tiefere Grund könnte im einen Fall eine Magen-Darm-Grippe sein, die eine medikamentöse Behandlung erfordert, oder im anderen Fall eine defekte Lichtmaschine, die repariert werden muss. Um einem Problem auf den Grund zu gehen und eine Lösung zu finden, muss ich daher eine Ursachenanalyse durchführen. Erst, wenn ich die Ursache gefunden habe, kann ich sie auch beheben.

In diesem Artikel wird zunächst der Begriff „Ursachenanalyse“ definiert. Anschließend werden gängige Techniken der Ursachenanalyse vorgestellt, einige Methoden im Detail erläutert sowie Beispiele angeführt.

So weit, so gut. Was ist nun eine Ursachenanalyse?

Eine Ursachenanalyse (englisch Root Cause Analysis, kurz RCA) ist ein Prozess, mit dem die tiefere Ursache von Problemen ermittelt wird, um geeignete Lösungen zu finden. Die Grundannahme lautet: Es ist wesentlich effektiver, zugrunde liegende Probleme systematisch zu verhindern und zu beseitigen, anstatt einfach nur an den Symptomen herumzudoktern.

Bei der Ursachenanalyse können verschiedene Grundsätze, Techniken und Methoden angewandt werden, mit denen sich die Ursache für ein Vorkommnis oder eine Entwicklung finden lässt. Über die Aufdeckung einfacher Ursache-Wirkung-Beziehungen hinaus birgt die Ursachenanalyse das Potenzial, prozess- oder systembedingte Fehler tatsächlich an der Wurzel zu packen.

Ziele und Vorteile

Das erste Ziel der Ursachenanalyse besteht darin, die Ursache für ein Problem oder Ereignis ausfindig zu machen.

Das zweite Ziel ist es, im Einzelnen nachzuvollziehen, wie der Ursache zugrunde liegende Probleme behoben, kompensiert oder künftig verhindert werden können.

Das dritte Ziel ist die Anwendung der aus der Analyse gewonnenen Kenntnisse, um Problemen in der Zukunft systematisch vorzubeugen oder um Erfolge zu reproduzieren.

Das dritte Ziel ist besonders wichtig, denn letztlich nützt die beste Analyse nichts, wenn anschließend nicht gehandelt wird. Mit Ursachenanalysen lassen sich auch Probleme, die Kernprozesse und -systeme betreffen, so lösen, dass künftig keine Fehler mehr auftreten. Im American Football könnte das Ergebnis einer Ursachenanalyse zum Beispiel so aussehen: Zieht sich ein Spieler eine Gehirnerschütterung zu, wäre es – anstelle einer bloßen Symptomlinderung – sinnvoll, den Spieler künftig einen Helm tragen zu lassen, damit es nicht noch einmal zu einer solchen Verletzung kommt.

Oberflächlich betrachtet mag die Behandlung einzelner Symptome zwar produktiv wirken, denn wenn mehrere Probleme auf einmal behoben werden, sieht dies nach einem Fortschritt aus. Doch wenn Sie die eigentliche Ursache nicht diagnostizieren, wird Sie dasselbe Problem wahrscheinlich wieder und wieder ereilen. Auch eine Zeitungsredakteurin ergänzt schließlich nicht nur fehlende Kommas, sondern wird ihren Autoren auftragen, gründlich den Duden zu studieren, damit die Zeichensetzung künftig stimmt.

Grundprinzipien

Für die Ursachenanalyse gelten ein paar Grundprinzipien, von denen einige auf der Hand liegen dürften. Diese Prinzipien verbessern nicht nur die Analysequalität, sondern helfen dem Analysten auch dabei, sich das Vertrauen und die Unterstützung von Beteiligten, Kunden oder Patienten zu sichern.

  • Richten Sie das Hauptaugenmerk auf die Ursachenbehebung und -korrektur, weniger auf die Symptombehandlung.
  • Die Behandlung von Symptomen kann dennoch wichtig sein, um die Situation kurzfristig zu verbessern.
  • Bedenken Sie, dass es mehrere Ursachen geben kann, was auch oft der Fall ist.
  • Wichtig ist, WIE und WARUM etwas passiert ist, nicht WER dafür verantwortlich war.
  • Gehen Sie methodisch vor und sammeln Sie konkrete Belege für Kausalzusammenhänge, um Ursachenannahmen untermauern zu können.
  • Stellen Sie ausreichend Informationen bereit, damit Korrekturmaßnahmen ergriffen werden können.
  • Überlegen Sie sich, wie sich eine Ursache zukünftig verhindern (oder reproduzieren) lässt.

Die genannten Prinzipien zeigen: Bei der gründlichen Analyse von Problemen und deren Ursachen kommt es auf einen umfassenden, ganzheitlichen Ansatz an. Neben der Aufdeckung der Ursache sollten Sie auch Zusammenhänge und Informationen ermitteln, die dann als Handlungs- oder Entscheidungsgrundlage dienen können. Kurzum, eine Analyse ist gut, wenn sie ein entsprechendes Handeln ermöglicht.

Techniken und Methoden zur Durchführung einer effektiven Ursachenanalyse

Es gibt zahlreiche Techniken und Strategien, die zur Ursachenanalyse herangezogen werden können. Die folgende Liste ist daher keineswegs erschöpfend, gibt aber einige der gängigsten und nützlichsten Techniken wieder.

5-Why-Methode

Zu den am häufigsten eingesetzten Techniken der Ursachenanalyse gehört die 5-Why- oder 5-Warum-Methode. Die Vorgehensweise ähnelt ein wenig den bohrenden Fragen, mit denen Kleinkinder manchmal ihre Eltern löchern. Jedes Mal, wenn eine Frage nach dem WARUM beantwortet wurde, folgende die nächste, noch tiefer gehende Frage: „Ja, aber WARUM?“ Kinder sind also im Grunde sehr gute Ursachenanalysten. Einer allgemeinen Auffassung nach führen meist schon fünf WARUM-Fragen zur Wurzel des Übels – je nach Fall können aber auch 50 oder nur zwei Fragen nötig sein.

Beispiel: Nehmen wir erneut das obige Beispiel des verletzten Football-Spielers. Anfangs schildert der Spieler ein Problem: Warum habe ich so starke Kopfschmerzen? Das ist das erste WARUM.
Erste Antwort: Weil ich nicht richtig sehen kann.
Zweites Warum: Warum kann ich nicht richtig sehen?
Zweite Antwort: Weil ich mit dem Kopf auf dem Boden aufgeschlagen bin.
Drittes Warum: Warum bin ich mit dem Kopf auf dem Boden aufgeschlagen?
Dritte Antwort: Ich wurde im Zweikampf umgeworfen und bin mit dem Kopf aufgekommen.
Viertes Warum: Warum tat der Aufprall auf dem Boden so weh?
Vierte Antwort: Weil ich keinen Helm getragen habe.
Fünftes Warum: Warum habe ich keinen Helm getragen?
Fünfte Antwort: Weil wir in der Umkleidekabine nicht genug Helme hatten.

Aha! Nach diesen fünf Fragen kristallisiert sich heraus, dass die Gehirnerschütterung sehr wahrscheinlich darin begründet lag, dass es an Helmen mangelt. In der Zukunft lässt sich das Risiko einer Gehirnerschütterung also senken, indem sichergestellt wird, dass für jeden Football-Spieler ein Helm vorhanden ist. (Allerdings schützt auch ein Helm nicht in jedem Fall vor einer Gehirnerschütterung. Deshalb: immer gut aufpassen!)

Die 5-Why-Methode verhindert bloßes Spekulieren. Wenn Sie sich Frage um Frage an die Ursache herantasten, werden die Antworten von Mal zu Mal aufschlussreicher. Im Idealfall stoßen Sie nach der letzten Frage auf einen fehlerhaften Prozess, der sich beheben lässt.

Änderungs-/Ereignisanalyse

Eine weitere praktische Methode der Ursachenanalyse ist die sorgfältige Auswertung der Änderungen, die einem Ereignis vorausgingen.
Diese Methode bietet sich vor allem dann an, wenn es sehr viele mögliche Ursachen gibt. Hier wird nicht nur auf den unmittelbaren Zeitpunkt, an dem etwas schieflief, sondern auf einen längeren Zeitraum geblickt. So lässt sich die ganze Vorgeschichte des Vorkommnisses rekonstruieren.

1. Listen Sie zunächst alle potenziellen Ursachen für das Ereignis auf. Diese Ursachen können Veränderungen aller Art sein, ob nun zum Guten oder zum Schlechten.

Beispiel: Angenommen, das zu untersuchende Ereignis ist ein außergewöhnlich umsatzstarker Verkaufstag in der Berliner Niederlassung, und Sie möchten wissen, warum es an diesem Tag so gut lief, um den Erfolg wiederholen zu können. Dazu stellen Sie erst einmal alle Kontaktpunkte mit sämtlichen Großkunden, alle Ereignisse und alle möglicherweise relevanten Änderungen zusammen.

2. Als Zweites stufen Sie die Änderungen und Ereignisse danach ein, wie viel Einfluss Sie darauf hatten. Mögliche Einstufungen wären intern/extern, Unternehmens-/Fremdeigentum usw.

Beispiel: Im oben genannten Beispiel werden folgende Ereignisse ermittelt: Ein Vertriebsmitarbeiter hat eine neue Präsentation zur gesellschaftlichen Wirkung vorgestellt (intern), es war der letzte Quartalstag (extern), und es war der erste Frühlingstag (extern).

3. Im dritten Schritt gehen Sie alle Ereignisse nacheinander durch und fragen sich, in welchem Zusammenhang diese mit dem beobachteten Phänomen standen: Lag kein Zusammenhang, eine Korrelation, ein begünstigender Faktor oder sogar eine mögliche Ursache vor? Dies ist der wichtigste Analyseschritt, in den auch andere Techniken – etwa die 5-Why-Methode – eingebunden werden können.

Beispiel: Im Rahmen Ihrer Analyse haben Sie festgestellt, dass zwischen dem Verkaufserfolg und der neuen Vertriebspräsentation überhaupt kein Zusammenhang bestand. Dagegen haben Sie den Umstand, dass es der letzte Tag im Quartal war, als begünstigenden Faktor eingestuft. Ein anderer Faktor wurde sogar als wahrscheinlichste Ursache erkannt: Die Vertriebsleiterin für den Raum Berlin ist nämlich in eine neue Wohnung gezogen, die näher am Arbeitsort liegt. Deshalb traf sie in der letzten Woche des Quartals immer schon 10 Minuten früher zu Kundengesprächen im Büro ein.

4. Als Viertes wird untersucht, wie die Ursache reproduziert oder behoben werden kann.

Beispiel: Natürlich kann nicht jeder Mitarbeiter einfach umziehen. Doch das Unternehmen kam zu dem Schluss, dass sich dieser Erfolg vielleicht wiederholen lässt, wenn in Zukunft alle Vertriebsmitarbeiter in der letzten Quartalswoche 10 Minuten früher zu Kundenterminen erscheinen.

Fischgrätendiagramm

Eine weitere häufig angewandte Technik ist das Fischgrätendiagramm, auch Ishikawa- oder Ursache-Wirkungs-Diagramm genannt, mit dem sich Kausalzusammenhänge grafisch darstellen lassen. Es kann bei der Ursachenfindung helfen, da es den Anwender dazu bringt, sich entlang bestimmter Pfade zu potenziellen Ursachen vorzutasten, bis die Wurzel des Übels feststeht. Die Technik ähnelt der 5-Why-Methode, ist aber visueller.

Normalerweise steht das Problem in der Mitte, es bildet gewissermaßen das „Rückgrat“ des Fischgrätendiagramms. Dann werden per Brainstorming verschiedene Ursachenkategorien zugeordnet und als Abzweigungen von der Mittellinie dargestellt – dies sind die „Gräten“. Diese Kategorien sind zunächst sehr allgemein, beispielsweise „Personal“ oder „Umgebung“, und werden anschließend genauer unterteilt. So könnten unter der Kategorie „Personal“ potenzielle Ursachenfaktoren wie „Personalführung“, „Stellenbesetzung“ oder „Ausbildung“ stehen.

Je weiter nun die möglichen Ursachen und Teilursachen verzweigt werden, desto näher rückt des Pudels Kern. Mit dieser Methode lassen sich Kategorien, die nicht mit dem Problem zusammenhängen, ausschließen sowie korrelierende Faktoren und wahrscheinliche Ursachen ausmachen. Aus Gründen der Vereinfachung sollten Sie sich schon vor dem Anlegen eines Fischgrätendiagramms überlegen, welche Kategorien infrage kommen.

Häufige Kategorien für Fischgrätendiagramme:

  • Maschine (Ausrüstung, Technologie)
  • Methode (Prozess)
  • Material (einschließlich Rohstoffen, Verbrauchsstoffen und Informationen)
  • Arbeits-/Geisteskraft (körperliche oder geistige Arbeit)
  • Messung (Inspektion)
  • Aufgabe (Zweck, Erwartungen)
  • Management/Finanzkontrolle (Führung)
  • Wartung
  • Produkt (oder Dienstleistung)
  • Preis
  • Werbung (Marketing)
  • Prozess (Systeme)
  • Personal
  • Physische Belege
  • Leistung
  • Umgebung (Ort, Umwelt)
  • Lieferanten
  • Fähigkeiten

Tipps zur Durchführung einer effektiven Ursachenanalyse

Stellen Sie Fragen, um Informationen abzuklären und den richtigen Antworten näherzukommen. Je tiefer Sie der Sache auf den Grund gehen und je mehr Sie potenzielle Faktoren hinterfragen, desto wahrscheinlicher werden Sie auf eine tatsächliche Ursache stoßen. Selbst wenn Sie die Grundursache (und nicht etwa nur ein weiteres Symptom) des Problems gefunden zu haben glauben, können Sie noch weiterfragen: Warum bin ich mir sicher, dass dies die Ursache ist und nicht etwas anderes? Wie kann ich diese Ursache abstellen, damit das Problem nicht wieder auftritt?

Stellen Sie einfache Fragen nach dem „Warum“, „Wie“ und nach der Bedeutung eines Funds. So tasten Sie sich Stück für Stück an das Problem heran.

Vier Augen sehen mehr als zwei

Bei der Ursachenanalyse ist es oft sinnvoll, einen Kollegen oder sogar ein ganzes Team hinzuzuziehen, denn jedes zusätzliche Augenpaar sieht womöglich Dinge, die Ihnen sonst gar nicht aufgefallen wären. Dies beschleunigt die Lösungsfindung und dient als Korrektiv für eigene Fehler. Darüber hinaus können andere Sichtweisen dabei helfen, feste Vorannahmen zu hinterfragen.

Vorbereiten künftiger Ursachenanalysen

Während der Durchführung einer Ursachenanalyse sollten Sie unbedingt den Analysevorgang selbst im Auge behalten. Machen Sie sich Notizen. Stellen Sie Fragen zum Analyseprozess an sich. Überprüfen Sie, ob eine bestimmte Technik oder Methode für Ihre konkreten geschäftlichen Anforderungen und Umgebungsbedingungen auch wirklich geeignet ist.

Ursachenanalyse auch bei Erfolgen

Anhand einer Ursachenanalyse lässt sich sehr leicht herausfinden, wo etwas schiefgelaufen ist. Daher werden solche Analysen in der Regel eingesetzt, um Problemdiagnosen zu stellen. Dabei sind sie ebenso gut geeignet, die Ursache für einen Erfolg zu ermitteln. Schließlich kann es doch bei einem Erfolg, einer außergewöhnlichen Leistung oder einer überpünktlichen Lieferung nicht schaden, in Erfahrung zu bringen, warum alles so glatt gelaufen ist. Eine solche Analyse kann dazu beitragen, wichtige Erfolgsfaktoren zu priorisieren und präventiv zu schützen. Vielleicht lässt sich der Erfolg sogar auf andere Geschäftsbereiche übertragen.