Künstliche Intelligenz (KI) in Deutschland: Die wichtigsten Unternehmen, aktuelle Forschung und zentrale Themen
Das Thema KI wird in der heutigen Medienberichterstattung meist von den Innovationen großer US-Firmen beherrscht. Künstliche Intelligenz in Deutschland findet dabei, wenn überhaupt, nur am Rande Erwähnung. Zu Unrecht, denn Deutschland ist weltweit bekannt für seine hervorragende akademische Bildung. Viele KI-Forscher:innen[MB1], die einst in Deutschland studiert haben, arbeiten mittlerweile im Ausland.
Doch auch in Deutschland selbst geschieht viel in Hinblick auf KI: Bis 2025 fördert die Bundesregierung KI-Forschungsprojekte mit insgesamt fünf Milliarden Euro und will so innovative Entwicklungen bis in den deutschen Mittelstand bringen. Künstliche Intelligenz wird an Universitäten, Fachhochschulen und anderen Bildungseinrichtungen vorangetrieben, um „KI made in Germany“ als internationales Markenzeichen zu etablieren.
Deutschlands KI-Strategie: Bundespolitische Investitionen in Künstliche Intelligenz
Am 15. November 2018 beschloss das Bundeskabinett die Nationale Strategie Künstliche Intelligenz (kurz: KI-Strategie). Zielsetzung dieser Strategie ist es, Deutschland als attraktiven Standort für KI-Forschung, KI-Entwicklungsvorhaben und konkrete Anwendungsprojekte mit internationaler Sichtbarkeit zu stärken. Die Strategie soll die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik in diesen Bereichen ausbauen.
Im Rahmen dieser KI-Strategie stellt die Bundesregierung bis 2025 Fördergelder in Höhe von insgesamt fünf Milliarden Euro bereit, die in zwölf unterschiedliche Handlungsfelder einfließen. Schwerpunkt ist dabei die Gründung und Entwicklung von KI-Ökosystemen in Deutschland und in Europa.
Getreu europäischer Richtlinien und dem Markenzeichen einer „AI made in Europe“ wird ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt, in dessen Fokus die verantwortungsvolle und gemeinwohlorientierte Entwicklung und Anwendung von KI-Systemen steht. Zentrale Handlungsfelder beinhalten Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, für Umwelt- und Klimaschutz und allgemeine Nachhaltigkeitsprojekte sowie Vorhaben, die der nationalen und internationalen Vernetzung unterschiedlicher Initiativen dienen.
Konkrete Maßnahmen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) betreffen unter anderem die Ausbildung und Anstellung entsprechender Fachkräfte, den Aufbau leistungsstarker Forschungsstrukturen, die Bereitstellung auch von technischen Infrastrukturen, die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Themenvermittlung sowie die Anwendung von Forschungsergebnissen in gesellschaftlich relevanten Bereichen.
Insbesondere unterstützt das BMBF durch die KI-Strategie das 1988 gegründete Kompetenzzentrum Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) als bundesweit führende wirtschaftliche Forschungseinrichtung mit Standorten in mehreren deutschen Städten. Auch die Plattform „Lernende Systeme“ wurde 2017 durch das BMBF ins Leben gerufen. Als Ort des Austauschs und der Kooperation bündelt die Plattform Expertise aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft.
Das BMBF hat unter anderem Förderprogramme zur Methodik des Maschinellen Lernens (ML), für KI-Labore, zur Nachwuchsförderung und für praxisnahe Projekte auf den Weg gebracht. Auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Start-ups, Hochschulen, außeruniversitäre Einrichtungen, Verbände und Vereine werden in ihrer Tätigkeit bei der Implementierung von KI-Methoden unterstützt.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt mit ihrer Förderinitiative „Künstliche Intelligenz“ regelmäßig Vorhaben an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen und wird finanziell größtenteils von Bund und Ländern getragen.
Künstliche Intelligenz in Wirtschaft und Unternehmen
Tendenziell spielen Robotik und KI in der deutschen Wirtschaft und in Unternehmen schon seit langer Zeit eine Rolle, die zunehmend wichtiger wird. Vor allem im produzierenden Gewerbe – etwa im Handwerk, in der Mechanik oder in der Landwirtschaft – übernehmen KI-betriebene Maschinen bereits seit Längerem Aufgaben, die einst Menschen ausführten. Aber auch aus der digitalen Arbeitswelt, bei der Bekämpfung des Klimawandels, in der Mobilität und aus dem Gesundheitswesen sind KI-gestützte Technologien mittlerweile nicht mehr wegzudenken.
Anwendungsorientierte Forschungsvorhaben werden durch das Bundesforschungsministerium gefördert, und erfolgreiche Methodiken in meist fachspezifischen KI-Hubs implementiert. So sollen etwa die Digitalen FortschrittsHubs Gesundheit mit digitalen Innovationen aus den Unikliniken die Expertise und das Angebot in der regionalen Gesundheitsversorgung verbessern. Ebenfalls in Planung befindet sich aktuell ein KI-Anwendungshub Kreislaufwirtschaft, der die Möglichkeiten einer effizienteren Nutzung von Rohstoffen, insbesondere von Verpackungen, mithilfe von KI-Methoden untersuchen soll.
Weitere durch das BMBF geförderte, Erfolg versprechende Anwendungen sind etwa KI-Systeme in Offshore-Windkraftanlagen zur effektiven Gewinnung grünen Stroms, oder auf Künstlicher Intelligenz basierende Handprothesen, die Handamputierte mittels ihrer Gedanken intuitiv steuern können.
Speziell die infolge der KI-Strategie implementierten KMU-spezifischen Maßnahmen (KI4KMU) zielen darauf ab, die Erkenntnisse aus der KI-Forschung kleineren und mittleren Unternehmen zugutekommen zu lassen. Somit soll einerseits ein flächendeckender Transfer in die Praxis gewährleistet und andererseits der Mittelstand durch neue Technologien gestärkt werden.
Zu den bekanntesten Beispielen zählen hier etwa das Projekt HoloMed, das die Software für eine Augmented-Reality-Brille entwickelt, die Ärzte bei Hirn-OPs unterstützen soll. Bekannt ist auch das Projekt KoFFI (Kooperative Fahrer-Fahrzeug-Interaktion), das 2016 bis 2019 im Programm „Mensch-Technik-Interaktion für eine intelligente Mobilität“ lief. Unter Leitung des Verbundkoordinators Robert Bosch GmbH wurde hier mit Projektpartnern wie u. a. der Daimler AG ein intelligenter Fahrassistent entwickelt. Außerdem wurden vornehmlich ethische Empfehlungen und Leitlinien zum automatisierten Fahren erarbeitet.
Eine im Auftrag des Bundesfinanzministeriums durch PwC durchgeführte Studie zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Unternehmen zeigte jedoch, dass es mit der praxisnahen Anwendung bundesweit noch nicht weit her ist: Im 4. Quartal 2018 nutzten oder implementierten lediglich 6 Prozent der befragten 500 Unternehmen Künstliche Intelligenz. Ein Großteil davon fand in der Datenanalyse bei Entscheidungsprozessen Anwendung. Ob die Breite des deutschen Mittelstands von den BMBF-Fördermaßnahmen profitiert und zukünftig bei KI mithalten kann, werden die nächsten Jahre zeigen.
Künstliche Intelligenz in Forschung und Lehre
Die Pionier-Institution der KI-Forschung in Deutschland ist das im Jahr 1988 eingerichtete Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI).
Aktuell wird die Infrastruktur der nationalen KI-Forschung hauptsächlich durch sechs vom Bundesforschungsministerium geförderte Kompetenzzentren vorangetrieben, die die Grundlage für den Austausch von Kompetenzen und Forschungsergebnissen bilden und Deutschland internationale Sichtbarkeit verleihen sollen. Fünf dieser KI-Kompetenzzentren sind an Hochschulen angesiedelt und werden zusätzlich mit Ländermitteln gefördert.
Die sechs Kompetenzzentren sind:
- BIFOLD - Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data
- DFKI - Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz
- MCML - Munich Center for Machine Learning
- ML2R - Kompetenzzentrum Maschinelles Lernen Rhein-Ruhr
- ScaDS - Competence Center for Scalable Data Services and Solutions Dresden/Leipzig
- Tübingen AI Center - Competence Center for Machine Learning
Wichtige kooperierende Forschungsinstitute sind außerdem die Fraunhofer-Gesellschaft, die Max-Planck-Gesellschaft und die Helmholzgemeinschaft. Einen wesentlichen Beitrag zur internationalen Exzellenzforschung will man im Rahmen von Alexander-von-Humboldt-Professuren für Künstliche Intelligenz leisten. Vorgesehen ist hier in den kommenden Jahren die Schaffung von bis zu 30 neuen Stellen für Professoren und Professorinnen. Das Bundesforschungsministerium unterstützt dabei tendenziell vorrangig Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit experimenteller, praxisnaher Ausrichtung.
An vielen Universitäten und Hochschulen wird die KI-Nachwuchsförderung unter anderem durch die Gründung von KI-Laboren, DAAD Schools of Excellence in AI und Internationalen Zukunftslaboren für KI betrieben. Die Maßnahmen werden oftmals in gemeinsamer Initiative mit den Ländern umgesetzt, beispielsweise im Bund-Länder-Programm „KI in der Hochschulbildung“.
Auch Programme zur Förderung einzelner Forschender oder von KI-Studiengruppen laufen. An Fachhochschulen/HAW richtet sich die Förderlinie KI-Nachwuchs@FH; zudem existieren Initiativen für die Integration von KI in die berufliche Weiterbildung. Informatikunterricht ist in 11 von 16 Bundesländern verpflichtend bzw. fakultativ.
Mittlerweile bieten viele Universitäten und Hochschulen Studienprogramme und -abschlüsse mit KI-Themeninhalten an. Über 200 Studiengänge haben bundesweit sogar den Schwerpunkt KI, knapp 170 Studiengänge einen Data-Science-Schwerpunkt. Die Methodiken Künstlicher Intelligenz werden dabei aus technischer Perspektive und in ihren ethischen, philosophischen und gesellschaftswissenschaftlichen Zusammenhängen akademisch untersucht und vorangetrieben.
Die bekanntesten KI-Forscher und -Forscherinnen Deutschlands
Einer der renommiertesten KI-Forscher Deutschlands ist Wolfgang Wahlster, der bereits seit 40 Jahren Forschung zu dem Thema betreibt und mit zahlreichen Preisen und Ehrendoktorwürden ausgezeichnet wurde. Wahlster, ehemals Professor für Informatik an der Universität des Saarlandes, Ex-Direktor und -CEO des DFKI, gilt heute als einer der wichtigsten Intellektuellen Deutschlands. Seiner Meinung nach könnte „KI made in Germany“ bald zum Exportschlager werden.
Wie auch Wolfgang Wahlster ist der Informatiker Bernhard Schölkopf Mitglied der Leopoldina. Seit 2011 ist Schölkopf Direktor am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Tübingen und leitet als dessen geschäftsführender Direktor die Abteilung Empirische Inferenz. In der Region Stuttgart-Tübingen initiierte er 2016 außerdem das sogenannte Cyber Valley, einen Zusammenschluss des Max-Planck-Instituts, der Universitäten Tübingen und Stuttgart und Großkonzernen wie u. a. Daimler, Porsche, Amazon und BMW.
Dr. Tina Klüwer, promovierte Computerlinguistin, arbeitete über zehn Jahre im Language Technology Lab des DFKI in Saarbrücken, später in Berlin, und forschte insbesondere zu Chatbots, Dialogsystemen und Textanalyse. Als Direktorin des Künstliche Intelligenz Entrepreneurship Zentrums (K.I.E.Z.) wurde sie im Juli 2022 von Bundeskanzler Olaf Scholz in den Zukunftsrat der Bundesregierung berufen. Das für die 20. Legislaturperiode gegründete Gremium soll Vorschläge zur Stärkung der Resilienz und technologischen Souveränität bei Schlüsseltechnologien und in der Digitalisierung erarbeiten.
Katharina Zweig studierte Biochemie und Bioinformatik und leitet aktuell als Universitätsprofessorin am Fachbereich Informatik der TU Kaiserslautern das Algorithm Accountability Lab. Im Jahr 2018 rief man sie als Expertin in die neu konstituierte Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz des Deutschen Bundestags. Ihr Forschungsfokus liegt auf dem Zusammenwirken von Algorithmen, Individuum, Institutionen und Gesellschaft sowie der Kommunikation darüber. 2019 wurde sie mit dem Communicator-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des Stifterverbandes ausgezeichnet.
Kristian Kersting, Professor für maschinelles Lernen am Fachbereich Informatik der TU Darmstadt, ist einer der Sprecher des Hessischen Zentrums für Künstliche Intelligenz. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit Fragen zur moralischen Handlungsfähigkeit Künstlicher Intelligenz.